Am Sonntag, 29. Juli 2018, boten wir nachmittags eine Führung durch das Skulpturenfeld bei Oggelshausen an. Wir fuhren über Ummendorf – Appendorf – Ingoldingen – Steinhausen – Schienenhof zum Parkplatz des Skulpturenfeldes bei Oggelshausen.
Das erste Bildhauersymposium in Oggelshausen fand erstmals im Jahre 1969 statt und wurde im Folgejahr nochmals fortgesetzt. Seit dieser Zeit stehen 15 eigenwillige Steinmale, die von bedeutenden Bildhauern aus fünf Ländern und drei Kontinenten geschaffen wurden. Dieses Symposium wurde vom Wiener Bildhauer Karl Prantl und dem Biberacher Arzt Dr. G. Laib initiiert, um in der freien Landschaft nachhaltige Eindrücke zu vermitteln. Das Erleben von Natur und Kunst sind mit ein Grund für die kulturelle internationale Bedeutung dieses Skulpturenfeldes. Den damals gefertigten Steinen sieht man an, dass sie ausschließlich mit Klöpfel (Hammer) und Meisel bearbeitet wurden. Diese Skulpturen haben alle keinen Titel. Man kann auch nicht sagen, was der Künstler damit sagen wollte, sondern nur Hinweise geben. Die Künstler mussten ihre Arbeiten in einem viertel Jahr erledigt haben.
Die Steine von 1969 waren schon ausgesucht, auf den Feldern verteilt und den Künstlern zugelost, während 2000 sie von den Künstlern im Steinbruch ausgesucht und an zentraler Stelle beim Sportplatz bearbeitet wurden.
Im Oktober 2000, also 30 Jahre nach der ersten Veranstaltung dieser Art, fand ein neues Symposium statt. Zehn Bildhauer aus fünf Ländern dokumentierten mit ihrer Arbeit das heutige Kunstempfinden. Den Zeitfortschritt zwischen damals und heute kann der Besucher eindrucksvoll erfahren. Im Gegensatz zu dem ersten Symposium benutzten die teilnehmenden Künstler 2000 die Hilfe von Strom und Technik. Aufgrund des technischen Equipments waren die Bildhauer//Innen in der Lage, den Naturstein schneller und detaillierter zu bearbeiten. Die Zu-Hilfe-Name des technischen Fortschritts schlug sich gleichfalls in den Kunstwerken nieder. Zwei Skulpturen sind nicht in Oggelshausen aufgestellt. Die „Vase“ steht an der Straße nach Bad Buchau und „Zeitsprung“ vor dem Schloss in Bad Buchau. Als Material wurde Sinterkalk aus dem Steinbruch der Firma Lauster und Co. in Gauingen verwendet. Man nennt ihn auch den Gauinger Travertin. Durch die Verwendung dieses lokalen Gesteins war beabsichtigt, dass die Bildhauer die Umgebung einbeziehen und sich auf den Charakter des Steins einstellen aus dem u.a. das in der Nähe befindliche Kloster Zwiefalten erbaut worden ist. Die Bildhauer arbeiteten an den Skulpturen 4 Wochen lang.
Da die Landschaft hier naturgemäß keine Felsen zeigt, sondern mit nassem teilweise schwarzem moorigen Boden sich präsentiert, wirken die Skulpturen wie Besucher, die versteinert auf etwas hindeuten möchten.
- Skulptur: „Federsteine“ von Peter Randall-Page 1954 in England
Er wählte einen wahlnussförmigen Findling, den er mit einer Diamantsäge in zwei Hälften schneiden ließ. Innerhalb der Schnittflächen der zwei Hälften gestaltete er im Relief eine Mäanderform. Die Platzierung seiner Skulptur war ihm außerordentlich bedeutend. Der Besucher sieht ‚Federstein‘ nicht von weitem, vielmehr stolpert er vom Parkplatz kommend überraschend über die geöffnete „Walnuss“, deren Schnittflächen mit der Reliefornamentik von Eichenblättern gegeneinander zeigen. - Skulptur: „Heiligtum“ von Michael Dan Archer 1955 in England
Der aufrechte zweigeteilte Teil wurde mit einer riesigen Kettensäge vom waagrechten Teil abgesägt und wieder zu einer Einheit zusammengesetzt. Wenn man von hinten durch die ‚Gabel‘ schaut, erkennt man den Kirchturm von Oggelshausen, wenn davor nicht gerade ein Maisfeld steht. Was will der Künstler sagen? Soll es der Tisch des Herrn sein und daneben der Geistliche mit den ausgestreckten Armen oder soll es ein Tisch mit einer übergroßen Fonduegabel sein? Jeder soll sich seine eigenen Gedanken machen. - Skulptur: „Vom Morgen bis zum Abend“ von Uli Gsell 1967 Deutschland
Der 4,6 m hohe rechteckförmige Travertin Block weist zwei unterschiedlich bearbeitende Seiten auf, die durch ihre Ausrichtung jeweils nach Westen und Osten, als Licht- und Schattenseiten angesehen werden können oder der Stein wird‚ vom Morgen bis zum Abend‚ von der Sonne beschienen. Die Vertiefungen sollen ein Rückzugsgebiet darstellen, ein Ort „Für-Sich-Sein“. Der untere Raum weist ein Bohrloch auf. Wenn man durchschaut ist die Häusersilhouette von Bad Buchau zu erkennen. Das Bohrloch schafft insofern eine Verbindung zwischen den verschiedenen Ansichten und Öffnungen im Stein. - Skulptur: „Gitter V“ von Hans-Michael Franke 1963 Deutschland
Er gestaltete eine Gitterform als geöffnete Raumstruktur, die mit wenig Bodenhaftung platziert ist. Obwohl die Gitterform grafische Leichtigkeit suggeriert, wird sowohl durch die horizontale Ausrichtung als auch durch die belassene Naturform an der Außenseite der Eindruck der Schwere und Massigkeit des Objekts verstärkt. Gleichzeitig lässt sich beobachten, dass durch die Öffnungen hindurch Pflanzen und Gräser wachsen, so dass sich die Skulptur geradezu mit der Natur bzw. dem Boden zu verwachsen scheint. Das faszinierende hierbei ist, dass dem Besucher mit dieser Gitterform ein Element liefert, das er für sich individuell ins Unendliche weiterverfolgen, denken oder spielen kann. - Skulptur: „Schale“ von Gerold Jäckle 1961 Ertingen DE
Es soll das Federseebecken mit seinem Wasser darstellen. Das Federseeried hat sich aufgrund der schalenförmigen Erhebung eines Eiszeitgletschers gebildet. Eine Schale, die im Feld scheinbar wippend liegt. Die Schale steht auf einem Kiesbett, trocken im Vergleich zum feuchten Umfeld. Es mussten mehrere Pfähle eingetrieben werden, damit die Schale stehen bleibt. Das Original wurde im 3. Jahr durch eindringendes Wasser im Winter durch Eis gesprengt und durch eine Betonschale ersetzt. Die europäische Wasserscheide verläuft durch das Federseebecken. Die Schussen Quelle bei Aichbühl wird unterirdisch aus dem Ried gespeist und entwässert das südliche Federseebecken über den Bodensee in den Rhein. Der im Zuge der Seefällungen in den Jahren 1787/88 und 1808/09 geschaffene Kanzachkanal entwässert zur Donau und somit ins Schwarze Meer. - Skulptur: „Verantwortung“ von Josef Nadj 1953 Deutschland
Die 4,10 m hohe Skulptur steht auf einer Bodenplatte und fasziniert durch das Erleben des Gegensatzes zwischen polierten Flächen im inneren Teil des Werkes und des naturbelassenen Blocks in der Rahmenkonstruktion. An der südwestlichen Seite weist sie eine Sitzmöglichkeit auf. Der Besucher kann sich hierbei sitzend oder in dieser thronartigen Form stehend auf den Stein, dessen Struktur sowie auf die ihn umgebende Landschaft einlassen. Der Stein muss umrundet werden und je nach Standpunkt gibt die Skulptur einen andern Blick auf sich selbst als auch auf die Landschaft. Die Skulptur wirkt im Moment massig, doch von der anderen Seite eher filigran mit einer Öffnung, einer Aussparung. - Skulptur: „Porta“ von Patrick Crombé 1955 Belgien
Porta, das Tor, am Ortseingang von Bad Buchau her überrascht durch vielfältige, in unterschiedlichsten Winkeln zusammengesetzte Konturen, die in feinfühliger Lichtführung als polierte, strukturierte oder als Natur-Flächen gestaltet sind. Der Betrachter erkennt ein dynamisches Gesamtwirken von großzügig geschliffenen Flächen, die sich abwechselnd mit Oberflächen, die mit dem Stockhammer bearbeitet wurden, oder mit Passagen, die segmentförmige, mit der Säge akzentuierten Trennscheiben aufweisen, sowie mit naturbelassenen Seiten. Innerhalb dieser Choreographie ist zu beobachten, dass die einzelnen Gestaltungen über die zwei Torhälften hinweg in verschiedenen Ausmaßen korrespondieren. Die zwei Torhälften sind in einem Abstand von 20 cm zusammengesetzt, so dass allein für den schmal gebauten Betrachter die Möglichkeit besteht, längs durch diese Öffnung hindurch zu treten.
Crombé ging es allerdings nicht darum, sondern vielmehr versinnlicht die Skulptur das mentale Eintreten in einen anderen Lebensabschnitt oder in eine weitere Wahrnehmungsebene. - Skulptur: „Gefäß“ von Ortega Pérez 1969 Mexiko
Ihr Werk steht auf dem Parkplatz an der Straße nach Bad Buchau. Am Boden hat sie eine Kanaldeckelform als sozialkritisches Element abgebildet. Der Kanaldeckel versinnbildlicht die Lebensrealität der obdachlosen Kindern und Jugendlichen in Mexiko, die sich vorzugsweise in die warmen Schächte unterhalb der Kanaldeckel flüchten und das Abwasserkanalsystem für sich als möglichen Lebensraum definieren. - Skulptur: „Zeitsprung“ von Axel F. Otterbach 1948 Isny DE
‚Zeitsprung‘ ist eine zweiteilige Arbeit, die in Bad Buchau vor dem Schloss aufgestellt ist. Die aufgerichtete Ringform besteht aus vier Schichten von jeweils 22 zur Kreismitte hin konisch zulaufenden Einzelplatten. In der Ringform fehlen zwei Zeitelemente, so dass hierdurch die für den Besucher folgenreiche ‚Auszeit‘ eines Klinikaufenthaltes anschaulich wird. Innerhalb des Leerraumes der Ringform passt Otterbach eine konische Keilform ein, in deren Wandung regelmäßige Vertiefungen und lineare Strukturelemente gestaltet sind. - Skulptur: „Ganz innen“ von Marit Lyckander 1954 Norwegen
Das große Werk sieht bei einem ersten Hinsehen nach einer schmalen Pyramide aus. Lyckander formuliert Innenräume im Stein, die vorzugsweise körperhafte Ausmaße und Umrisse erhalten. Sie macht den Stein somit begehbar. Der Stein ist gespalten, von einer Diamantsäge getrennt, mittig ein schmaler Schlitz. Die dem Weg zugewandte Seite ist bewachsen mit Flechten und Moosen. Die Seite wirkt rau, ungehobelt und die Moose wirken weich und locken gestreichelt zu werden. Auf der Rückseite ist eine Öffnung, gerundet, weich mit einer spiegelglatten Oberfläche an der Stelle wo die Hände greifen. Wer eintritt kann durch den Schlitz auf die Stiftskirche von Bad Buchau sehen. Die Künstlerin hat die Aussparung ihrem Körper angeglichen.
Auf was sie hindeuten möchten, das bleibt jedem Betrachter überlassen. Die neueren Skulpturen sind zwar nicht beschrieben, aber sie haben wenigstens ein en Titel des Künstlers.
Im Gasthaus zum Löwen in Oggelhausen fand in der Gartenwirtschaft der gemütliche Abschluss statt.