Halbtageswanderung zur Schäferei in Reichenbach am 19.04.2015

Bei herrlichem Frühjahrswetter, aber kühlem Wind, fuhren 37 Erwachsene und 5 Kinder nach Reichenbach bei Bad Schussenried zu einer Halbtageswanderung mit Besuch einer Schäferei.

Seit 1. Januar 1974 ist Reichenbach ein Stadtteil von Bad Schussenried, hat rund 720 Einwohner und 1255 ha Fläche. Der Ort ist durch die aus der Pfahlbauzeit stammenden Funde im Steinhauser Ried bekannt. 839 n.Chr. genannt, wies der Ort Adel auf. Die 1460 erbaute Kirche zu den Heiligen Sebastian, Blasius und Agathe wurde 1704 ganz umgestaltet. Zu Reichenbach gehören noch die Weiler Sattenbeuren und Torfwerk. Das Dorfgemeinschaftshaus – ein Umbau einer Gastwirtschaft – besteht seit 2005.

Wir wanderten zuerst durch Reichenbach, am Dorfgemeinschaftshaus vorbei, das die Ortsverwaltung, die Feuerwehr und weitere Vereine aufgenommen hat. Der Weg führte uns auf dem neuen Radweg Richtung Allmannsweiler. Auf einer kleinen Anhöhe konnten wir die Ortschaften Ahlen, Oggelshausen und unser Ziel, den Schafstall, erkennen. Auf halbem Weg nach Allmannsweiler setzten wir unseren Weg auf dem alten Kirchenweg fort. Den Schorrenwald ließen wir rechts liegen und erreichten die Höhe 625 m ü. NHN in Allmannsweiler. Der ländliche Ort mit seinen 320 Einwohnern ist heute noch eine selbständige Gemeinde, wie alle ‚Seegemeinden‘, die sich um die Selbständigkeit zu erhalten zur Verwaltungsgemeinschaft Federsee mit Sitz in Bad Buchau zusammen geschlossen haben.

Allmannsweiler liegt in einem hügeligen Moränengebiet am Rande des Federseebeckens teils im Tal des Bierstetter Bachs, der nach Bad Buchau in die Kanzach fließt. Die Siedlung wurde vermutlich im 8. Jahrhundert gegründet und urkundlich wohl 1268 erstmals erwähnt. Die Besitztümer wurden in den vergangenen Jahrhunderten des öfteren weiter verpfändet und kamen erst 1746 zum Kloster Schussenried. Von 1806 bis zu dessen Auflösung war Allmannsweiler Teil des Oberamtes Saulgau. Am 1. Januar 1973 wurde die Gemeinde Teil des Landkreises Biberach, hat aber kurioserweise nach wie vor die Saulgauer Postleitzahl. Die Pfarrei Hl. Kreuz wurde erstmals 1268 (?) und sicher 1292 urkundlich erwähnt. Ursprünglich in Besitz des Stifts Buchau, wurde sie 1392 an das Kloster Schussenried verkauft. Die Kirchengemeinde gehört heute als Filialkirche zur Pfarrei St. Sebastian in Reichenbach.

Die Wanderung führte uns durch ein Neubaugebiet und dann weiter auf guten Wegen Richtung Reichenbach. Zuerst kamen wir an einem Außenlaufstall für Kühe vorbei, die sich gerade von rotierenden Geräten massieren ließen und uns aufmerksam beobachteten. Zwei riesige Linden, die als Naturdenkmal eingetragen sind, säumten unseren weiteren Weg, der inzwischen kiesig geworden war. Weiter ging es bis wir den Mühlbach von Reichenbach erreichten. Auch dieser führt nicht zum Federsee, sondern fließt an Bad Buchau vorbei in die Kanzach, die den Abfluß des Federsees bildet und bei Unlingen in die Donau fließt. Nach kurzem Weg kamen wir am Schafstall der Schäferei Mang an. Willi Mang jun. erwartete uns schon am offenen Scheunentor. Schnell huschten wir hinein, um vom kalten Ostwind geschützt zu sein. Er informierte uns über die Schafhaltung ingesamt und speziell über die seines Betriebes. Die große Herde war zu dem Zeitpunkt mit Herrn Mang sen. auf dem Weg zur Sommerweide auf den Standortübungsplatz in Sigmaringen. Die Herde kommt auf dem Weg pro Tag ca. 10 km voran. Den Herbst verbringt die Herde in den Donauauen bei Tuttlingen und kommt dann im Dezember zurück in die Heimat. Im Stall waren hunderte Lämmer aller Altersklassen und Mutterschafe mit noch kleinen Lämmern, die noch säugen. Die Schäferei kauft auch Lämmer von anderen Schäfern auf, die nicht diese Möglichkeit haben, Lämmer gesondert aufzuziehen. Nach ca. einem halben Jahr wird entschieden welche zur Zucht und welche zur Schlachtung kommen. Dies ist der eigentliche Verdienst des Betriebes. Für die Einnahmen aus der Schafwolle können gerade die Scherer bezahlt werden. Inzwischen hat sich die Teilnehmerzahl auf 37 Erwachsene und 5 Kinder erhöht, weil doch einige noch mit dem Auto nachgekommen sind. Wir hielten uns dort über eine halbe Stunde auf und bedankten uns bei Herrn Mang für seine Führung und die geopferte Zeit für uns. Er erhielt von uns u.a. noch ein aus Holz gesägtes Lamm überreicht.

Von der Landschaft zum Verbraucher – die Wanderschäferei Mang ist Pionierbetrieb für „Württemberger Lamm“. Willi Mang sen. und seine Frau haben in erster Generation eine vorbildliche Schäferei aufgebaut. Vom Heimatort aus betreiben die Berufsschäfer eine typische baden-württembergische Wanderschafhaltung. Schäfermeister Willi Mang jun. ist am elterlichen Betrieb beteiligt (GbR). Um die Muttertiere zum Zeitpunkt der Ablammung gut betreuen und mit ausreichend Futter versorgen zu können, hat Familie Mang in einen besonders tiergerechten Stall investiert. Dieser sogenannte „Aussenklimastall“ wurde mit dem Landestierschutzpreis dafür ausgezeichnet, dass er den Tieren viel Helligkeit, Platz und Liegekomfort in geschütztem Klima bietet. Damit und mit den ca. 850 Mutterschafen sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass diese traditionelle Wanderschafhaltung mit ganzjähriger Ablammung im Familienbetrieb fortgesetzt werden kann.
Von Dezember bis Mitte April weiden Mang’s Merinolandschafe heimatnah im Raum Bad Schussenried. Sobald das Frühjahr ein entsprechendes Futterangebot hervorbringt, wird die Herde zu ihren Sommerweideplätzen aufbrechen. Das Grünland am Bundeswehrstandort Sigmaringen und ‚fürstliche‘ Flächen an der Donau werden dann abgehütet. Sind Gras und Kräuter hier aufgebraucht, wandern die Mutterschafe im September weiter über abgeerntete Ackerflächen, Obstbaumwiesen und pflegebedürftigen Naturschutzflächen zur Herbstweide bei Tuttlingen. Wollen die Landwirte nicht, dass Mang’s Wanderschafherde über ihre Flächen zieht, müssen sie diese in alter Tradition mit einem „Wedel“ – das ist ein Stock, auf den Tannenäste oder Strohbüschel gebunden werden – kennzeichnen. Ansonsten geht das Recht Schafherden über abgeerntete Flächen ziehen zu lassen, auf das Mittelalter zurück. Damals war es allerdings der Landesherrschaft vorbehalten, die Felder der Untertanen vom 11. November bis 23. April zu beweiden. Im Dezember geht’s dann zurück in die klimatisch günstigen Gebiete am Heimatstandort zur Winterweide.

Nun hatten wir unser Endziel schon vor Augen. Wir kamen noch an einem Hähnchenmaststall mit Biogasanlage vorbei, die viele Häuser in Reichenbach mit Wärme versorgt. Bald erreichten wir die Ailinger Mühle. In der Mühle werden Weizen, Dinkel und Roggen gemahlen und im Mühleladen als Mehl angeboten. Es kann eine Mühlenführung oder im ehemaligen landwirtschaftlichen Teil auch eine Feier gebucht werden.

In einer Urkunde von 1275 findet sich ihre erste schriftliche Nennung. Doch gemahlen wurde hier schon lange zuvor. Bereits im Jahre 905 wird Reichenbach als Dorf mit Mahlgerechtigkeit erwähnt. Im 14. Jh. geht Reichenbach in den Besitz des Klosters Schussenried und somit auch das Mahlrecht. Im Jahre 1856 wurden die Bauern von einem neuen Müller empfangen: Mit Theodor Ailinger begann die Mühlentradition der Familie Ailinger. Damals noch von Wasserkraft angetrieben, produzierte die Mühle feinstes Mehl aus den angelieferten Körnern. 2003 übernahmen die Schwestern Silke und Evelyn die Mühle. Zwar wird das Mahlwerk schon lange nicht mehr durch die Kraft des Wassers angetrieben, doch sind sie mit großer Leidenschaft am Werk, die Tradition und Qualität der Ailinger Mühle zu bewahren.

Nach wenigen Minuten erreichten wir nach 2,5 Stunden und 6 km Weg wieder unseren Ausgangspunkt bei der Raiba. Auf dem Heimweg kehrten wir noch im Bräuhaus in Ummendorf ein.

Kilometeranzahl: 6
Wanderzeit: 2,5 Stunden einschl. Führung
Wanderführer: Bruno Albinger und Fritz Natterer